Von Schule und Freiheit
Nein, Irrtum - ich schreibe nicht über die Freiheit von der Schule, die in neun Tagen mit den Sommerferien beginnt. Ich schreibe über die Freiheit des Bauches in der Schule. Die Bauchfreiheit. Da hat sie mit ihrem Vorschlag einer Kleiderordnung in Schulen etwas „Gschamiges“ getroffen, diese leitende Dame einer niedersächsischen Schule. Sonst würde ihr Thema nicht wie ein Flächenbrand in der bundesdeutschen Presse aufgegriffen und Niedersachsen endlich auch außerhalb der Heideblüte, Brockenhexentag und Industriemesse in aller Munde sein. Die Schulführungsfrau warf die (Schul-) Moral betreffende Frage auf, wieviel Bauchfreiheit ist unter der Schamgrenze, wieviel darüber. Was bin ich froh, dass eine kluge Frau diese offenbar alle Schulen betreffende kritische Frage stellte. Stellen wir uns vor, ein Mann hätte das vorgeschlagen. Öffentlich gelyncht hätten wir ihn wegen schmutziger Phantasien! Wegen offenbar auffälligen Interesses an diesem kleinen, in unteren Altersstufen nahezu harmlosen Nabel des Bauches, dessen zentralere Schamgegend doch wirklich erst ganz weit unten wirklich anregend doch nun bzw. ganz weit drüber beginnt. wir hätten einen solchen Mann misstrauisch beäugt und beobachtet, ob er wohl eine solch kleine Schwäche hätte. Oder gar eine ganz große Schwäche, auf die wir strenger achten müssen. Unsere Schulleiterin ist aber kein solcher Mann und deshalb wird ihr Thema bundesweit aufgegriffen - ohne verdächtigendes Misstrauen. Die Hamburger CDU samt Schillpartei denken nun über Schuluniformen nach. Bayern würde nichts dagegen haben, aber auch nichts dafür tun. Baden-Württemberg und Rheinpfalz äußern sich nicht. Wahrscheinlich, weil es dort in den Wetternachrichten auch immer am heißesten ist. Dort erlauben sich wahrscheinlich von der Hitze gezwungen auch jüngere Lehrerinnen eine klitzekleine Bauchfreiheit zwecks kühlender Brise. Ich erkenne das Problem durchaus, wenngleich ich es als Mann nicht aufgreifen durfte. Nur eine Frau. Denn schon bei langweiligen studentischen Referaten registriere ich neben Referatsstoff auch Bauch-, Brust und Beinfreiheiten und wundere mich, was alles zur akademischen Freiheit gehört. Ich bin für Kompromisse. Nach meiner guten Einschätzungsgabe sind die Bauchfreiheiten meiner Studentinnen zwischen 10 und 15 cm breit und der Nabel in der Mitte. Ein Kompromiss könnte sein: Maximal 8 cm, wovon der kleinere Abstand zwischen Jeansrand und Nabel und der größere Richtung Brust weisen könnte, das ist ungefährlich. Denn in Sachen Brustgegend guckt schon kaum mehr jemand hin. So haben wir uns an die Freiheit gewöhnt. Christine sieht das als Lehrerin anders. Sie kennt Schülerinnen und Lehrer, denen sie weniger Bauch- und Brust-Irritation, dafür mehr Arbeitsfähigkeit wünschen würde. Und sie sagt, ich könne nicht mitreden, ich sei kein Sportlehrer und meine Studentinnen seien erwachsen. Nun - die baldige Freiheit von der Schule durch Ferien wird uns alle versammeln an den Stränden und Straßencafés. Und da gehören sie natürlich eigentlich hin: Die ganz großen Bauch-Bein- und Brustfreiheiten. Denn da ist Freiheitszeit Und nicht Arbeitszeit.
1.Juli 2003